Pharmazeutische Zeitung online
Interview

Uniprofessor als Namenspate

20.04.2010  13:11 Uhr

Von Sven Siebenand / Seit Kurzem tragen zwei Pflanzen den Namen eines deutschen Pharmazieprofessors. Dr. Michael Keusgen, Professor am Institut für Pharmazeutische Chemie in Marburg, informiert im Gespräch mit der PZ, wie er zu dieser Ehre kam.

PZ: Allium keusgenii und Allium michaelis: Herr Keusgen, wann haben Sie erfahren, dass diese beiden Zwiebelgewächse nach Ihnen benannt werden?

Keusgen: Diese Pflanzen wurden anlässlich meines 45. Geburtstages nach mir benannt. Ferner sollten meine Verdienste für die Erforschung zentralasiatischen Allium-Arten durch die Namensvergabe gewürdigt werden. Ich wurde 2009 darüber informiert.

 

PZ: Wer hat diese Entscheidung getroffen und wie läuft das Prozedere so einer Namensgebung genau ab?

 

Keusgen: Es steht den Erstbeschreibern einer neuen Pflanzenart frei, einen Namen zu vergeben. In diesem Falle waren es Dr. Reinhard Fritsch vom Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) Gatersleben und Dr. Furkat Khassanov, Akademie der Wissenschaften, Usbekistan, die unabhängig voneinander die Idee hatten, mir eine neu entdeckte Allium-Art zu widmen. Dabei sind die internationalen Regeln zur Namensvergabe zu beachten. Die Erstbeschreibung der neuen Art wird international publiziert und begutachtet. Nach der Publikation sollte dann die Einstellung in eine Species-Datenbank erfolgen.

 

PZ: Welche Rechte und Pflichten sind mit dieser Auszeichnung verbunden?

Keusgen: Die Namensvergabe stellt für mich eine große Ehre dar. Sie ist aber auch mit der (moralischen) Verpflichtung verbunden, sich weiter um die Heilpflanzen der Ursprungsländer zu kümmern.

 

PZ: Um was für Pflanzen handelt es sich genau, und woher stammen sie?

 

Keusgen: Es handelt sich um wilde Zwiebelarten, die mit unserem Knoblauch und der Küchenzwiebel verwandt sind. Allium keusgenii stammt aus dem Iran, Allium michaelis aus Usbekistan.

 

PZ: Wofür werden sie traditionell eingesetzt?

 

Keusgen: Ein traditioneller Nutzen für genau diese Arten konnte nicht belegt werden, jedoch ist anzumerken, dass in ländlichen Gegenden von Iran und Usbekistan viele Zwiebelwildarten in ganz ähnlicher Weise wie Knoblauch und die Küchenzwiebel verwendet werden, zum Beispiel als allgemeines Stärkungsmittel, bei Erkältungen, gegen Tumorerkrankungen sowie gegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

 

PZ: Welche Inhaltsstoffe könnten dafür verantwortlich sein?

 

Keusgen: Aus Cysteinsulfoxiden werden durch die Aktivität des Enzyms Alliinase diverse Sulfide gebildet, die als wirksame Bestandteile gelten können. Daneben treten Saponine und Flavonoide in signifikanten Konzentrationen auf, die ebenfalls zur Wirkung mit beitragen können.

 

PZ: Forschen Sie in Ihrem Arbeitskreis selbst an diesem Thema?

 

Keusgen: Wir arbeiten seit vielen Jahren an der Schwefelchemie wilder Laucharten und haben auch eine ganze Reihe bisher unbekannter Schwefelverbindungen erstmalig beschrieben. In diesem Zusammenhang ist Allium keusgenii auch ein sehr interessantes Untersuchungsobjekt.

 

PZ: Könnten aus diesen Arbeiten in Zukunft neue Arzneistoffe entwickelt werden?

 

Keusgen: Der Wert der wilden Zwiebelarten liegt eigentlich darin begründet, als Bestandteil der täglichen Nahrung Krankheiten zu verhindern. Nahrungssupplements, die auch für die westliche Welt interessant sind, sind hier durchaus denkbar. Nach bisherigen Erkenntnissen ist es aber eher unwahrscheinlich, dass einer der isolierten Reinstoffe auf absehbare Zeit als Pharmakon zum Einsatz kommt. / 

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