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Interview

Wie aus Fußball-Trainer Holger Stanislawski ein Supermarkt-Chef wurde

Im Interview auf der EK-Herbstmesse in Bielefeld sprach der 49-Jährige über Polonaisen im Laden und Nackt-Sackhüpfen mit Spielern

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Holger Stanislawski war bei der Messe der EK-Servicegroup gut gelaunt. | © Magnus Horn

Holger Stanislawski war bei der Messe der EK-Servicegroup gut gelaunt. | © Magnus Horn

21.09.2019 | 22.09.2019, 09:32

Bielefeld. Früher Fußballplatz, heute Supermarkt: Holger Stanislawski ist einen ungewöhnlichen Weg gegangen. Als einer von drei Geschäftsführern betreibt der Ex-Trainer den mit 7.500 Quadratmetern größten Rewe-Markt in Hamburg.

Anders denken, Gewohntes durchbrechen - für Stanislawski war das nicht nur ein erfolgversprechender Weg in seiner Karriere, sondern auch in seinem heutigen Kerngeschäft: dem Einzelhandel. Bei der EK-Live Herbstmesse der EK Servicegroup, einem der größten Handelsverbunde Europas mit Sitz in Bielefeld, erzählt der Hamburger aus seiner Zeit als Profifußballer und gibt Einblick in seine Arbeit als Unternehmer.

Supermarkt mit Single-Night

In seinem Supermarkt, den der Ex-St.-Paulianer gemeinsam mit dem ehemaligen HSV-Spieler Alexander Laas und dem Ex-HSV-Aufsichtsrat Bernd Enge 2014 übernahm, gibt es etwa 65.000 Artikel. In einer 200 Quadratmeter großen Spielarena können Kinder Fußball spielen, ältere Menschen einen Kaffee trinken und sich eine Pause gönnen. Eine Single-Night zwischen den Regalen gab es im Mai bereits zum zweiten Mal. 3.000 Leute waren gekommen.

Holger Stanislawski und Elmar Brok in Bielefeld. - © EK Einkauf/Starke
Holger Stanislawski und Elmar Brok in Bielefeld. | © EK Einkauf/Starke

Solch kleine Veränderungen und Innovationen kommen an. Ob er noch einmal ins Trainergeschäft zurückkehrt, beantwortete er auf der Bühne mit: "Es muss dann wirklich alles zusammenpassen. Im Moment ist es wahrscheinlicher, dass ich einen zweiten Supermarkt eröffne." Die NW hat mit ihm gesprochen.

Herr Stanislawski, Fußballer verstecken sich selbst häufig hinter Floskeln. Stört Sie das?
Holger Stanislawski: Wie viel der Fußballspieler im Interview preis gibt, hat auch immer etwas mit Vertrauen zu tun. Spieler in der Öffentlichkeit sind vorsichtig, weil sie wissen, dass ein Satz einen ganz anderen Charakter bekommt, wenn man nur zwei Worte weglässt.

Wie sehr haben Sie als Trainer den Druck verspürt, erfolgreich sein zu müssen?
Stanislawski: Viele denken im Fußball an ein Risiko. Ich denke eher an eine Chance, in der kommenden Woche das letzte Ergebnis gerade zu rücken. Das hat man im Supermarkt natürlich nicht. Das ist ein fortlaufender, anhaltender Prozess, der nicht über die wöchentliche Kurzfristigkeit geht, sondern eher über quartalsweise Entwicklungen. Fußball ist ein Wochengeschäft. Du kannst Nackt-Sackhüpfen mit den Jungs machen, wichtig ist: Wenn du am Wochenende gewinnst, bist du der Größte. Fußball ist ein Ergebnissport. Auch im Einzelhandel müssen wir Ergebnisse liefern, aber das eher über einen längeren Zeitraum. Im Fußball muss man direkt funktionieren.

Ist der Trainer Stanislawski derselbe wie der Geschäftsführer?
Stanislawski: Als Trainer hat man natürlich ein anderes Verhältnis zu den Spielern. Mit denen arbeitet man viel enger zusammen als ich mit meiner Käsetheke. Ich habe mal gesagt: 'Diese Emotionalität aus dem Fußball bekomme ich nicht in meinen Supermarkt. Wenn wir vier Scheiben Tilsiter mehr verkaufen, machen wir keine Polonaise.' Die Werte, die ich an mich und meine Mitarbeiter stelle, sind völlig identisch.

Wie Teamgeist?
Stanislawski: Genau. Es geht um Lob, um das Einbinden und Mitnehmen.

Vermissen Sie das Trainergeschäft?
Stanislawski: Wenn man Fußball liebt, so wie ich ihn liebe, dann vermisst man ihn immer. Sobald irgendwo ein Ball rollt, dann hat man das Gefühl, man muss dahin. Ich pöbel auch noch genug vor dem Fernseher, wenn ich mir Spiele angucke. Insofern bin ich immer noch genauso dabei, wie ich es vorher auch war.

Sind Sie vor einem Spiel dann auch so angespannt?
Stanislawski: Nein, da habe ich mittlerweile durch mein Alter auch eine gewisse Ruhe entwickelt. Das stresst mich nicht mehr so, zumal ich ja auch nicht mehr in der Verantwortung stehe. Insofern bin ich da ganz entspannt.

Seit fünf Jahren sind Sie mittlerweile aus dem Trainergeschäft raus. Angenommen, Sie kehren an die Seitenlinie zurück: Wäre es schwierig, wieder anzufangen?
Stanislawski: Nein, Fahrradfahren verlernt man auch nicht. Ich beschäftige mich ja auch aufgrund meiner Beschäftigung beim ZDF als TV-Experte hochintensiv mit Fußball, mit taktischen Dingen und allem, was dazu gehört. Und sobald man auf dem grünen Rasen steht, ist auf Knopfdruck sofort alles wieder da.

Sie werden bald 50. Hätten Sie gedacht, dann einmal Geschäftsführer eines Supermarktes zu sein?
Stanislawski:
Nein, ich hätte nicht gedacht, dass ich irgendwann mal Geschäftsführer und Inhaber eines Supermarktes bin. Aber ich bin und war immer offen für Neues. Ich wollte immer meine eigenen Entscheidungen treffen können. Deswegen habe ich mir das Business auch aufgebaut, um zu gucken, ob ich noch erfolgreich bin oder nicht. Dass sich das so entwickelt, hätte ich natürlich nicht gedacht. Ich blicke aber immer gerne zurück. Ich bin dankbar für vieles. Dankbar, dass ich mich so lange im Profifußball bewegen durfte.

Treiben Sie selbst noch Sport zum Ausgleich?
Stanislawski: Leider nicht. Zwischendurch habe ich mal wieder angefangen mit Fitness und Kontaktsport. Aber im Moment mache ich leider keinen Sport. Ich bin da gerade nicht zuverlässig und gewissenhaft genug, und muss mir da selber ein bisschen in den Hintern treten.


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